Windows Confidential: Der vergessene Tastaturbefehl

Raymond Chen

Ursprünglich enthielt Windows nur einen einzigen Tastaturbefehl für das Umschalten zwischen Programmen: Alt+Tab. Das war allerdings das Alt+Tab aus der Mottenkiste – es war ziemlich unpraktisch. Die Tasten sind vielleicht gleich geblieben, aber die Funktionalität war ganz anders. Es gab kein elegantes Alt+Tab-Fenster. Stattdessen wurde jedes Mal, wenn Sie die Tabstopptaste drückten, ein anderes Programm ausgewählt. Minimierte Anwendungen wurden nicht geöffnet. Sie mussten sie selbst öffnen, nachdem Sie die Alt-Taste losgelassen hatten.

Die Alt+Tab-Funktionalität in Windows 2.0 brachte uns dem heutigen Alt+Tab-Verhalten näher. Überlappende Fenster wurden in einer Liste von vorn nach hinten (als die Z-Reihenfolge bekannt) beibehalten, und durch jedes Drücken der Tabstopptaste wurde das nächste Fenster ausgewählt, das vorübergehend im Vordergrund dargestellt wurde, damit Sie es sehen konnten.

Alt+Tab in Windows Vista bietet Liveminiaturansichten

Wenn Sie die Alt-Taste losließen, wurde das ausgewählte Fenster im Fensterstapel ganz oben angezeigt. Wenn Ihr Fensterstapel z. B. aus den Fenstern A, B, C und D bestand, führte die Auswahl des Fensters C mit Alt+Tab zur neuen Fensterstapelreihenfolge C, A, B, D.

In Windows 3.0 wurde der Alt+Tab-Tastaturbefehl überholt. Die Wirkung auf die Z-Reihenfolge ist unverändert geblieben, aber es gab nun eine neue Schnittstelle, um dorthin zu gelangen. Statt jedes Fenster vorübergehend anzuzeigen, wurden nur das Symbol und der Titel des Fensters angezeigt. Nur bei der Auswahl eines Fensters wurde es ganz oben im Fensterstapel angezeigt.

Dies war als das schnelle Alt+Tab bekannt. Eine Zeit lang war es möglich, zwischen dem neuen und alten Entwurf auszuwählen, aber der neue Entwurf war sehr viel beliebter, und als die Unterstützung für den alten Entwurf mit der Veröffentlichung von Windows 95 eingestellt wurde, schien das niemand zu bemerken, geschweige denn zu bedauern.

Windows 95 und Windows Vista führten weitere kosmetische Optimierungen ein. Windows 95 fügte ein Raster von Symbolen hinzu, und Windows Vista steuerte die Liveminiaturansichten bei, die Ihnen helfen, schneller zum gewünschten Fenster zu gelangen. (Hier ist übrigens ein kaum bekanntes Feature: In Windows Vista können Sie die Maus verwenden, um auf die Miniaturansicht zu klicken und so direkt zu diesem Fenster zu wechseln.)

Leider wurde bei all dieser Aufregung um Alt+Tab ein anderer Tastaturbefehl sträflich vernachlässigt. Windows 2.0 führte den Alt+Esc-Tastaturbefehl ein. Während Sie mit Alt+Tab eine Anwendung auswählen können, ermöglicht Alt+Esc, schnell die Anwendungen zu durchlaufen.

Wenn Sie Alt+Esc drücken, wird das aktive Fenster an das Ende des Fensterstapels gerückt, sodass das Fenster darunter in der Z-Reihenfolge zum neuen aktiven Fenster wird. Wenn das nächste Fenster ein minimiertes Fenster ist, bleibt es minimiert. Dies mag zwar störend erscheinen, ist aber eigentlich ganz nützlich, da Sie dadurch die minimierten Anwendungen überspringen können, ohne sie öffnen zu müssen.

Angenommen, der Fensterstapel besteht aus den Fenstern A, B, C und D. Durch Drücken von Alt+Esc wird das Fenster A an das Ende gerückt (sodass sich die Stapelreihenfolge B, C, D, A ergibt). Bei erneutem Drücken der Tastenkombination wird Fenster B an das Ende gerückt (sodass sich die Stapelreihenfolge C, D, A, B ergibt). Da Alt+Esc keine minimierten Fenster öffnet, bleibt Fenster B minimiert, falls es das bereits war.

Das Erweitern der Tastenkombination Alt+Esc um die Umschalttaste erzielt das Gegenteil: Das untere Fenster des Stapels wird nach oben geholt (aber nicht geöffnet). Sie können zwischen zwei Fenstern umschalten, indem Sie das eine ganz oben und das andere ganz unten im Fensterstapel platzieren und dann Alt+Esc und Alt+Umschalt+Esc verwenden, um von einem zum anderen zu wechseln.

Während Alt+Tab während der Entwicklung von Windows alle Aufmerksamkeit auf sich zog, wurde Alt+Esc damals und über die Jahre kaum beachtet. Aber die relative Nichtbeachtung von Alt+Esc war auch ein Vorteil. Viele Entwickler schreiben Programme, in denen versucht wird, die Alt+Tab-Benutzeroberfläche zu verbessern, aber niemand wagt sich an Alt+Esc heran.

Wie ein Detektorempfänger während eines Stromausfalls kommt Alt+Esc zur Rettung, wenn Ihr Alt+Tab und andere Verbesserungen für das Umschalten zwischen Programmen nicht mehr funktionieren. Wenn es mit Ihrer Alt+Tab-Verbesserung drunter und drüber gegangen ist und eine ungültige Shellerweiterung Ihre Taskleiste durcheinander gebracht hat, besteht kein Grund zur Panik. Sie können dann in Ihre Trickkiste greifen und Alt+Esc ausgraben, den Notfalltastaturbefehl für die Programmumschaltung, der da ist, wenn Sie ihn benötigen, weil es nie jemandem einfällt, daran herumzuspielen.

Raymond Chen befasst sich auf seiner Website The Old New Thing und in seinem gleichnamigen Buch (Addison-Wesley, 2007) mit der Geschichte von Windows, mit der Win32-Programmierung und mit explodierenden Kaffeemaschinen.