Berichte aus der PraxisDer Punktualismus der Informationstechnologie

Romi Mahajan

Die Debatten über die Geschwindigkeiten evolutionärer Veränderungen toben jetzt seit mehr als einem Jahrhundert, und darin liegen wertvolle Lehren für die Betrachtung der Informationstechnologie und ihrer Zukunft. Im Hinblick auf evolutionäre Veränderungen gibt es drei Theorien, die an dieser Stelle eine nähere Betrachtung verdienen: Katastrophismus, Aktualismus und Punktualismus.

Der Katastrophismus geht davon aus, dass die Erde von gewaltigen katastrophalen Ereignissen erschüttert wurde, die eine sehr große geografische Reichweite besaßen und dadurch das Leben auf unserem Planeten beeinflussen. Im Gegensatz dazu besagt der Aktualismus, dass sich Veränderungen im Rahmen eines langsamen, kontinuierlichen Prozesses vollziehen. Der Punktualismus behauptet, dass sich sexuell fortpflanzende Populationen während des größten Teils ihres evolutionären Zyklus in einem Zustand der Stasis befinden, aber wenn es zu Veränderungen kommt, diese in seltenen und kurzlebigen Ausbrüchen stattfinden. Jede der drei Theorien bietet wichtige Lehren für IT-Organisationen.

Laut der Katastrophismustheorie ist die Informationstechnologie gezwungen, sich – wenn auch selten – grundlegend zu verändern. Wenn jedoch ein Wandel stattfindet, ersetzt das neue Paradigma, das aufgekommen ist, die vor dem Großereignis vorhandenen Denk- und Arbeitsweisen vollständig.

So wurde beispielsweise in den frühen 80er Jahren durch die Einführung des PCs das alte Paradigma der Mainframes und Mikrocomputer abgelöst – so wie der angenommene Meteoreinschlag vor 65 Millionen Jahren das Ende der Dinosaurier bedeutete. Als der Jahrtausendwechsel näher rückte, vollzogen sich bei der Computertechnologie, wie wir sie kannten, wesentliche Änderungen, und es wurde massiv in Maßnahmen zur Problemvermeidung und in Notfallwiederherstellungspläne investiert. In letzter Zeit haben viele große Denker gesagt, dass Web 2.0-Technologien die Informationstechnologie für immer verändern werden. Ein großes und lautstarkes Lager hat argumentiert, dass das Outsourcing zu tektonischen Veränderungen in der IT-Landschaft führt und dass IT-Experten lernen müssten, sich mit ihnen zu verändern. Obwohl diese Theorie stichhaltig zu sein scheint, erscheint sie mir übertrieben und in Bezug auf die Planung und Vorbereitung ziemlich nutzlos.

Dann gibt es diejenigen, nach deren Ansicht der Aktualismus die Logik ist, die die Evolution der Informationstechnologie am besten beschreibt. Bei diesem Szenario verändert sich die Informationstechnologie auf kontinuierliche und vorhersehbare Weise, und das Schritthalten mit den Veränderungen ist die beste Möglichkeit, wettbewerbsfähig zu sein. Veränderungen finden statt, aber in routinemäßigen Bahnen. Obwohl dieses Szenario einen bestimmten rhetorischen Wert besitzt, ist es angesichts dessen, was wir aus der Geschichte gelernt haben, letztlich nicht sehr realistisch.

Ich persönlich betrachte den Punktualismus als die beste Analogie für die Evolution der Informationstechnologie. Die IT-Branche kann von dieser Theorie lernen, dass sich Veränderungen über einen langen Zeitraum scheinbar kontinuierlich vollziehen, es in Wirklichkeit aber Perioden gab, die von äußerst intensiver Innovation geprägt waren. Wenn diese eintreten, müssen sich IT-Fachleute schnell anpassen, um nicht unterzugehen. Lassen Sie uns einen Blick in die Geschichte werfen, um zu prüfen, ob diese Theorie zutrifft.

Nach den unglaublich fruchtbaren späten 60er Jahren (das Internet wurde 1969 „erfunden“), fanden in den 70er Jahren keine wesentlichen Veränderungen statt. In den Jahren 1982 bis 1984 vollzogen sich in der Computerbranche tiefgreifende Veränderungen, aber im Zeitraum von 1985 bis 1993 wurde wenig hervorgebracht, das wirklich innovativ war. Von 1994 bis 1995 gab es massive Verwerfungen, da das Client/Server-Computingmodell eine Phase der Ausgereiftheit erreichte und die Einführung von Windows 95 zu einem grundlegenden Umbruch in der IT-Welt führte.

Seit 2005 erleben wir einen enormen Innovationsschub, und die Computerwelt sieht sich erneut vor der Herausforderung, sich neu zu erfinden. Seien es „Computing in the Cloud“ oder die gewaltigen Änderungen, die in der IT-Welt sehr bald vollzogen werden müssen, um die enormen Umweltbelastungen zu verringern – auf uns kommen schnelle Veränderungen zu. Die IT-Branche wird gezwungen, soziale Netzwerke und Mobiltelefone zu unterstützen. Die Notwendigkeit unglaublicher Flexibilität ist jetzt für unsere Branche das Gebot der Stunde. Es wurden auch einige Rufe nach der Abschaffung von Softwarepaketen und dem Ausbau des Bereichs der als Dienst bereitgestellten Software laut. Wenn dies wahr ist: Was bedeutet es tatsächlich für die IT-Fachleute, die Anwendungen unterstützen? Es bedeutet Veränderungen. Große Veränderungen.

Laut der Theorie des Punktualismus wird dieser Innovationsschub jedoch bald von einer Zeit der Stasis abgelöst. Wenn dies zutrifft, riskieren wir, genau in dem Augenblick, in dem die Relevanz der Informationstechnologie von vielen als so bedeutend betrachtet wird, weniger relevant zu werden. Es ist daher an uns, unser Schicksal zu steuern.

Romi Mahajan ist Chief Marketing Officer der Ascentium Corporation. Bevor er zu Ascentium kam, war er mehr als sieben Jahre lang für Microsoft tätig, wo er zuletzt die Position des Director of Technical Audience and Platform Marketing bekleidete. Romi Mahajan hat zahlreiche Arbeiten im Bereich Technologie, Politik, Wirtschaftswissenschaft und Soziologie veröffentlicht.