Grundlegendes zum Beweissicherungsverfahren

 

Gilt für: Exchange Server 2010 SP2, Exchange Server 2010 SP3

Letztes Änderungsdatum des Themas: 2015-06-24

Wenn Rechtsstreitigkeiten zu erwarten sind, sind Organisationen dazu verpflichtet, die für den Fall relevanten elektronisch gespeicherten Informationen (einschließlich E-Mail) aufzubewahren. Diese Erwartung kann eintreten, bevor die Details des Falls bekannt werden, und die Menge der aufzubewahrenden Daten ist häufig groß. Organisationen können alle E-Mails zu einem bestimmten Thema oder alle E-Mails für bestimmte Personen aufbewahren. Abhängig von den eDiscovery-Verfahren der jeweiligen Organisation werden beispielsweise folgende Maßnahmen zur Aufbewahrung von E-Mail angewendet:

  • Endbenutzer werden gebeten, E-Mails aufzubewahren und keine Nachrichten zu löschen. Allerdings können Benutzer E-Mails dennoch bewusst oder versehentlich löschen.

  • Automatische Löschmechanismen wie Messaging-Datensatzverwaltung (Messaging Records Management, MRM) können angehalten werden. Dies kann dazu führen, dass große Mengen an E-Mails das Benutzerpostfach füllen und so die Produktivität des Benutzers beeinträchtigen. Durch das Anhalten des automatischen Löschvorgangs kann außerdem nicht verhindert werden, dass die Benutzer E-Mails manuell löschen.

  • Einige Organisationen kopieren oder verschieben E-Mail in ein Archiv, um sicherzustellen, dass sie nicht gelöscht, verändert oder manipuliert wird. Dies führt zu einem Kostenanstieg aufgrund des manuellen Aufwands, der zum Kopieren oder Verschieben von Nachrichten in ein Archiv erforderlich ist, oder aufgrund der zum Erfassen und Speichern von E-Mail außerhalb von Microsoft Exchange verwendeten Drittanbietersoftware.

Fehler bei der Aufbewahrung von E-Mail kann für eine Organisation rechtliche und finanzielle Folgen haben, beispielsweise die Prüfung der Aufbewahrungs- und Offenlegungsverfahren für Datensätze in der Organisation, nachteilige Gerichtsurteile, Strafmaßnahmen oder Bußgelder.

In Exchange Server 2010 kann die Aufbewahrung für eventuelle Rechtsstreitigkeiten für folgende Ziele konfiguriert werden:

  • Aktivieren der Aufbewahrungspflicht für Benutzer und Beibehalten von Postfachelementen in unverändertem Zustand

  • Beibehalten von Postfachelementen, die von Benutzer gelöscht oder bearbeitet wurden

  • Erhalten von Postfachelementen, die durch MRM automatisch gelöscht wurden

  • Die Aufbewahrung für eventuelle Rechtsstreitigkeiten für den Benutzer transparent halten, ohne MRM anhalten zu müssen

  • Ermöglichen der Discoverysuche nach Elementen, die der Aufbewahrungspflicht unterliegen

Aktivieren der Aufbewahrung für eventuelle Rechtsstreitigkeiten für ein Postfach

Autorisierte Benutzer, die der rollenbasierten Remotezugriffssteuerungsgruppe (RBAC, Remote Role-Based Access Control) Discoveryverwaltung hinzugefügt wurden oder der Verwaltungsrolle Gesetzliche Aufbewahrungspflicht zugewiesen wurden, können die Aufbewahrung für eventuelle Rechtsstreitigkeiten für ein Postfach aktivieren. Sie können die Aufgabe an Datensatz-Manager, an für die Einhaltung von Vorschriften zuständige Mitarbeiter oder an Anwälte in der Rechtsabteilung Ihrer Organisation delegieren und dabei die niedrigsten Berechtigungen zuweisen. Weitere Informationen zum Zuweisen der Discoveryverwaltung-Rollengruppe finden Sie unter Hinzufügen eines Benutzers zur Rollengruppe "Discoveryverwaltung".

In Exchange 2010 SP1 können Sie die Exchange-Verwaltungskonsole, die Exchange-Systemsteuerung oder Exchange 2010-Verwaltungsshell verwenden, um ein Postfach für die Aufbewahrung für eventuelle Rechtsstreitigkeiten zu aktivieren. In Exchange 2010 RTM müssen Sie zum Aktivieren der Aufbewahrung für eventuelle Rechtsstreitigkeiten für ein Postfach das Cmdlet Set-Mailbox verwenden. Ausführliche Informationen zum Aktivieren der Aufbewahrung für eventuelle Rechtsstreitigkeiten für ein Postfach finden Sie unter Festlegen der rechtlichen Aufbewahrungspflicht für ein Postfach.

In vielen Organisationen ist es erforderlich, dass Benutzer informiert werden, wenn die Aufbewahrung für eventuelle Rechtsstreitigkeiten aktiviert wird. Darüber hinaus müssen bei Aktivierung der Aufbewahrung für eventuelle Rechtsstreitigkeiten für ein Postfach die für das Postfach geltenden Aufbewahrungsrichtlinien nicht angehalten werden. Da Nachrichten wie erwartet weiter gelöscht werden, merken die Benutzer ggf. nicht, dass die Aufbewahrung für eventuelle Rechtsstreitigkeiten aktiviert ist. Wenn es in Ihrer Organisation erforderlich ist, dass Benutzer über das Beweissicherungsverfahren informiert werden, können Sie der Eigenschaft Aufbewahrungskommentar des Postfachs des Benutzers eine Benachrichtigung hinzufügen. Outlook 2010 zeigt die Benachrichtigung im Backstagebereich an. Die Eigenschaft Aufbewahrungskommentar kann über die Exchange-Verwaltungskonsole oder Exchange-Verwaltungsshell hinzugefügt werden.

Hinweis

In Exchange 2010 dient die Eigenschaft Aufbewahrungskommentar zum Anzeigen einer Benachrichtigung für sowohl die Aufbewahrungszeit als auch die Aufbewahrung für eventuelle Rechtsstreitigkeiten.

Aufbewahrung für eventuelle Rechtsstreitigkeiten und Postfachkontingente

Elemente im Ordner Wiederherstellbare Elemente werden nicht in das Postfachkontingent des Benutzers eingerechnet. In Exchange 2010 besitzt der Ordner "Wiederherstellbare Elemente" ein eigenes Kontingent. Überschreitet der Ordner Wiederherstellbare Elemente eines Benutzers das Kontingent für wiederherstellbare Elemente, ab dem eine Warnmeldung ausgegeben wird (festgelegt über den Parameter RecoverableItemsWarningQuota), wird im Anwendungsereignisprotokoll des Postfachservers ein Ereignis protokolliert. Überschreitet der Ordner das Kontingent für wiederherstellbare Elemente (wie im Parameter RecoverableItemsQuota festgelegt), können Benutzer den Ordner Gelöschte Elemente nicht mehr leeren und Postfachelemente nicht länger dauerhaft löschen. Mithilfe der Kopie-bei-Schreibvorgang-Funktion können keine Kopien geänderter Elemente erstellt werden. Deshalb müssen Sie die Kontingente für wiederherstellbare Elemente für Benutzer von Postfächern überwachen, die der Aufbewahrungspflicht für eventuelle Rechtsstreitigkeiten unterliegen.

Für Postfachdatenbanken sind die Standardwerte für RecoverableItemsWarningQuota und RecoverableItemsQuota auf 20 GB bzw. 30 GB festgelegt. Diese Einstellungen sind normalerweise ausreichend für ein mehrjähriges Speichern von Postfachdaten bei aktivierter Aufbewahrung für eventuelle Rechtsstreitigkeiten. Zum Ändern dieser Werte für eine Postfachdatenbank verwenden Sie das Cmdlet Set-MailboxDatabase. Zum Ändern dieser Werte für einzelne Postfächer verwenden Sie das Cmdlet Set-Mailbox.

Aufbewahrung für eventuelle Rechtsstreitigkeiten und der Ordner "Wiederherstellbare Elemente"

Für die Aufbewahrung für eventuelle Rechtsstreitigkeiten wird der neue Exchange 2010-Ordner Wiederherstellbare Elemente verwendet. Dieser Ordner ersetzt die Funktion, die in früheren Versionen von Exchange als Dumpster bezeichnet wurde. Der Ordner Wiederherstellbare Elemente wird in der Standardansicht von Microsoft Outlook, Microsoft Office Outlook Web App und anderen E-Mail-Clients nicht angezeigt. Weitere Informationen zum Ordner Wiederherstellbare Elemente finden Sie unter Grundlegendes zu wiederherstellbaren Elementen.

Standardmäßig wird eine Nachricht, die von einem Benutzer aus einem anderen Ordner als dem Ordner Gelöschte Elemente gelöscht wird, in den Ordner Gelöschte Elemente verschoben. Dies wird als Verschiebung bezeichnet. Wenn ein Benutzer ein Element vorläufig löscht (durch begleitendes Drücken der UMSCHALT- oder LÖSCHTASTE) oder ein Element aus dem Ordner Gelöschte Elemente löscht oder den Ordner Gelöschte Elemente leert, wird die Nachricht in den Ordner Wiederherstellbare Elemente verschoben und anschließend aus der Ansicht des Benutzers entfernt.

Elemente im Ordner Wiederherstellbare Elemente werden für die Aufbewahrungsdauer für gelöschte Elemente aufbewahrt, die für die Postfachdatenbank des Benutzers konfiguriert wurde. Standardmäßig ist der Aufbewahrungszeitraum für gelöschte Elemente für Postfachdatenbanken auf 14 Tage festgelegt. In Exchange 2010 können Sie auch ein Speicherkontingent für den Ordner Wiederherstellbare Elemente konfigurieren. Dies schützt die Organisation vor einem möglichen DoS-Angriff (Denial of Service) aufgrund einer zunehmenden Datenmenge im Ordner Wiederherstellbare Elemente und dadurch auch in der Postfachdatenbank. Wenn für ein Postfach die Aufbewahrung für eventuelle Rechtsstreitigkeiten aktiviert wird, werden Elemente auf FIFO-Basis (First in, First out) dauerhaft aus dem Ordner Wiederherstellbare Elemente gelöscht, wenn der dazugehörige Kontingentgrenzwert überschritten wird oder sich das Element länger in dem Ordner befunden hat, als vom Aufbewahrungszeitraum des gelöschten Elements vorgesehen.

Der Ordner Wiederherstellbare Elemente hat drei Unterordner zum Speichern gelöschter Elemente mit verschiedenen Status und zum Erleichtern der Aufbewahrung für eventuelle Rechtsstreitigkeiten:

  1. Deletions   Elemente, die aus dem Ordner Gelöschte Elemente entfernt oder aus anderen Ordnern vorläufig gelöscht wurden, werden in den Unterordner Deletions verschoben und dem Benutzer angezeigt, wenn er in Outlook die Funktion Gelöschte Elemente wiederherstellen verwendet. Standardmäßig verbleiben Elemente in diesem Ordner, bis der für das Postfach konfigurierte Aufbewahrungszeitraum für gelöschte Elemente abläuft.

  2. Purges   Wenn ein Benutzer ein Element aus dem Ordner Wiederherstellbare Elemente löscht (durch Verwendung des Tools Gelöschte Elemente wiederherstellen in Outlook oder Outlook Web App), wird das Element in den Ordner Purges verschoben. Elemente, die den für die Postfachdatenbank oder das Postfach konfigurierten Aufbewahrungszeitraum für gelöschte Elemente überschreiten, werden ebenfalls in den Ordner Purges verschoben. Elemente in diesem Ordner werden Benutzern, die das Tool Gelöschte Elemente wiederherstellen verwenden, nicht angezeigt. Wenn der Postfach-Assistent das Postfach verarbeitet, werden Elemente im Ordner Purges endgültig aus der Postfachdatenbank gelöscht. Wenn für ein Postfach die Aufbewahrung für eventuelle Rechtsstreitigkeiten aktiviert wird, löscht der Postfach-Assistent die Elemente nicht aus diesem Ordner.

  3. Versions   Wenn ein Benutzer in Exchange 2010, für den die Aufbewahrung für eventuelle Rechtsstreitigkeiten aktiviert ist, bestimmte Eigenschaften eines Postfachelements ändert, bleibt das ursprüngliche Element erhalten, um die Offenlegungspflicht zu erfüllen. Eine Kopie des ursprünglichen Postfachelements wird erstellt, bevor das geänderte Element geschrieben wird. Die ursprüngliche Kopie wird im Ordner Versions gespeichert. Dieser Prozess wird auch als Kopie bei Schreibvorgang bezeichnet. Kopie bei Schreibvorgang gilt für Elemente, die sich in einem beliebigen Postfachordner befinden. Der Ordner Versions ist für Benutzer nicht sichtbar.

    In der folgenden Tabelle sind die Nachrichteneigenschaften aufgelistet, die eine Kopie bei Schreibvorgang auslösen.

    Eigenschaften, die eine Kopie bei Schreibvorgang auslösen

    Elementtyp Eigenschaften, die eine Kopie bei Schreibvorgang auslösen

    Nachrichten (IPM.Note*)

    Beiträge (IPM.Post*)

    • Subject

    • Body

    • Anlagen

    • Absender/Empfänger

    • Sende-/Empfangsdatum

    Andere Elemente als Nachrichten und Beiträge

    Jede Änderung an einer sichtbaren Eigenschaft mit folgenden Ausnahmen:

    • Speicherort des Elements (wenn ein Element zwischen Ordnern verschoben wird)

    • Statusänderung des Elements (gelesen oder ungelesen)

    • Änderungen an dem einem Element zugewiesenen Aufbewahrungstag

    Elemente im Standardordner Entwürfe

    Keine (Elemente im Ordner Entwürfe sind von der Kopie bei Schreibvorgang ausgenommen)

Wichtig

In Exchange 2010 SP1 ist die Kopie-bei-Schreibvorgang-Funktion für Kalenderelemente im Postfach des Organisators deaktiviert, wenn Besprechungsantworten von Teilnehmern empfangen werden und die Nachverfolgungsinformationen für die Besprechung aktualisiert werden. Änderungen an RSS-Feeds werden nicht von der Kopie-bei-Schreibvorgang-Funktion erfasst.

Hinweis

Auch wenn die Ordner Purges und Versions für die Benutzer nicht zu sehen sind, werden alle Elemente im Ordner Wiederherstellbare Elemente von der Exchange-Suche indiziert und können über die Suche in mehreren Postfächern gefunden werden.

Nachdem die Aufbewahrung für eventuelle Rechtsstreitigkeiten für das Postfach eines Benutzers aufgehoben wurde, werden Elemente in den Ordnern Purges und Versions mithilfe des Postfach-Assistenten gelöscht.

Migrieren von Postfächern für das Beweissicherungsverfahren von Exchange 2010 zu Office 365

Wenn Sie über eine Exchange-Hybridbereitstellung verfügen, sind die folgenden Bedingungen wahr, wenn Sie ein lokales (integriertes) Exchange 2010-Postfach zu Office 365 verschieben:

  • Ist für das lokale Postfach ein Beweissicherungsverfahren aktiviert, werden die Aufbewahrungseinstellungen beibehalten, nachdem das Postfach zu Office 365 verschoben wurde.

  • Wenn für das lokale Postfach ein Beweissicherungsverfahren aktiviert ist, werden alle Inhalte in dem Ordner „Wiederherstellbare Elemente“ in das cloudbasierte Postfach in Office 365 verschoben.

Hinweis

Die Aufbewahrungseinstellungen und Inhalte im Ordner „Wiederherstellbare Elemente“ werden auch beim Verschieben eines cloudbasierten (externen) Postfachs in die lokale Exchange 2010-Organisation beibehalten.

Es gibt andere Möglichkeiten zum Migrieren von lokalen E-Mail-Daten zu Office 365, z. B. die Verwendung einer mehrstufigen Exchange-Migration oder einer Exchange-Übernahmemigration.

  • Eine mehrstufige Migration kann zum Migrieren von Postfächern aus Exchange 2003 oder Exchange 2007 zu Office 365 verwendet werden. In diesen Versionen von Exchange ist der Ordner „Wiederherstellbare Elemente“ (und seine Funktionalität) nicht vorhanden. Bei der Migration von Exchange 2003- oder Exchange 2007-Postfächern zu Office 365 sind im Ordner „Wiederherstellbare Elemente“ keine zu verschiebenden Inhalte vorhanden.

  • Eine Übernahmemigration kann zum Migrieren von Postfächern aus Exchange 2003, Exchange 2007 und Exchange 2010 zuOffice 365 verwendet werden. Wie bereits erwähnt weisen Exchange 2003- und Exchange 2007-Postfächer keinen zu migrierenden Ordner „Wiederherstellbare Elemente“ auf. Da der Ordner „Wiederherstellbare Elemente“ in Exchange 2010 eingeführt wurde, werden die Inhalte im Ordner „Wiederherstellbare Elemente“ zu Office 365 migriert, wenn eine Übernahmemigration zum Migrieren von Exchange 2010-Postfächern verwendet wird.

Tipp

Für Exchange 2010 wird eine Exchange-Hybridbereitstellung zum Migrieren von lokalen Postfächern zu Office 365 empfohlen.

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