Windows ConfidentialAuf der Vergangenheit aufbauen

Raymond Chen

Einer meiner Kollegen rettete einen Alpha AXP-Computer aus einem verstaubten Wandschrank. Beim Starten des Systems entdeckte er, dass eine 64-Bit-Version von Windows® aus der Zeit von Anfang 2000 ausgeführt wurde. Wie ist das möglich?

Damals hatte ich einen dieser Computer in meinem Büro. In seiner Blütezeit war dieser Computer ein Gerät von enormer Leistungsstärke. Er hatte etwa die Größe eines Kühlschranks und machte ungefähr so viel Lärm wie ein Staubsauger. Er war mit vier (!) Alpha AXP-Prozessoren ausgestattet, von denen jeder mit atemberaubenden 400 MHz arbeitete. Er hatte ein Gigabyte RAM und einen Festplattenspeicher von dreizehn Gigabyte, der auf ein Dutzend schnelle SCSI-Laufwerke verteilt war. Dies mag heute kümmerlich scheinen, aber in den 90er Jahren wurde man um diese Alpha AXP-Computer von allen beneidet.

Als Compaq 1999 bekanntgab, dass Windows auf dem Alpha AXP nicht mehr unterstützt würde, standen bei Microsoft plötzlich viele Alpha AXP-Systeme ohne offizielle Aufgabe herum. Einige dieser Computer wurden jedoch für verschiedene inoffizielle Aufgaben eingesetzt. Ich verwendete mein Alpha AXP-System, um den gesamten Windows-Quellcode zu indizieren. Sie können sich vorstellen, wie praktisch es für einen Programmierer sein kann, alle Aufrufer einer Funktion in nur wenigen Sekunden identifizieren zu können oder den Quellcode für eine Funktion oder ein Dialogfeld zu suchen, das in einer Debugablaufverfolgung angezeigt wird.

Aber selbst bei einer einfachen Aufgabe wie dem Indizieren des Windows-Quellcodes wurde der Alpha AXP bald von den Computern der x86-Klasse überholt. Diese waren preisgünstiger und schneller, verfügten über mehr Festplattenspeicher und hatten mehr Speicher. Aus diesem Grund stand mein Computer bald bei seinen vergessenen Brüdern. Das Ende der Unterstützung für den Alpha AXP bedeutete offenbar das Ende dieser Computer, aber dann erhielten sie die Gelegenheit, ein ruhmvolles Ende zu finden, indem sie ihren letzten Atemzug im Dienst der nächsten Generation taten.

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Das 64-Bit-Windows-Projekt war bereits im Gange, und von den 64-Bit-Prozessoren, die in Betracht gezogen wurden, stand nur der Alpha AXP tatsächlich in physischer Form zur Verfügung. Der Intel Itanium-Prozessor befand sich in der Entwicklung und konnte nur auf einem Simulator ausgeführt werden, und die AMD64-Architektur war noch nicht erfunden worden. Daher wurde 64-Bit-Windows anfänglich auf dem Alpha AXP entwickelt.

Als Compaq bekannt gab, dass Windows nicht mehr auf dem Alpha AXP unterstützt würde, begannen alle diese Alpha AXP-Computer, die zuvor für 32-Bit-Windows 2000-Entwicklung und -Tests verwendet worden waren, insgeheim ein Leben als Testcomputer für ein 64-Bit-Betriebssystem, das in dieser Form nie ausgeliefert wurde. Der Alpha AXP war lediglich eine Plattform für Machbarkeitsstudien.

Die Alpha AXP-Computer erfüllten diese Rolle gut und stellten dem 64-Bit-Windows-Team echte Hardware für seine Arbeit zur Verfügung, sodass das Betriebssystem nicht auf einem Itanium-Simulator ausgeführt werden musste. (Sie können sich sicherlich vorstellen, wie langsam er war.) Natürlich war der Alpha AXP nicht die endgültige Zielhardware, aber er war eine große Hilfe. Als physische Itanium-CPUs auf den Markt kamen, gab es diese Nische für die Alpha AXPs nicht mehr, und sie verschwanden erneut in verstaubten Wandschränken.

Meine Freunde, die in den Microsoft-Archiven arbeiten, holten meinen alten, treuen Alpha AXP für diese Fotoaufnahmen aus seinem staubigen Verlies und fotografierten ihn zusammen mit einem der Produkte, die durch ihn ermöglicht wurden: die 64-Bit-Edition von Microsoft Windows Server® 2003. In der Tat ist noch der Staub auf den Fotos zu sehen.

Raymond Chen befasst sich auf seiner Website „The Old New Thing“ und in seinem gleichnamigen Buch (Addison-Wesley, 2007) mit der Geschichte von Windows und mit der Win32-Programmierung. Er würde lieber nicht in einen staubigen Wandschrank gesperrt werden.

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